Typische Frage an den Büchelspieler: „Ist das so etwas ähnliches wie ein Alphorn?“ Gegenfrage: „Was meinen Sie mit Alphorn?“ Die meisten meinen das rund 3 1/2 Meter lange Horn mit dem typsch gekrümmten Becher, idealerweise geblasen auf einer Schweizer Alp von einem stämmigen Senn in voller Tracht. Ja, dann ist der Büchel wirklich „etwas ähnliches“. Bloss geht dabei vergessen, dass sich die heutige Form des Alphorns erst im 20. Jahrhundert durchsetzte. Zuvor hatten die hölzernen Hirtenhörner in den Alpen – wie übrigens auch sonst in Europa – unterschiedlichste Formen. Noch in den 1930er sprach der damalig Alphorn-Papst Alfred Leonz Gassmann von zwei Versionen des Alphorns, dem langen «Standardalphorn» aus dem Berner Oberland und dem Zentralschweizer Büchel. Das Schwyzer Muotathal gilt heute als die Wiege der Büchel-Tradition. Der Büchel war Ende des 20. Jahrhunderts fast in Vergessenheit geraten. Sein Revival hat er zu einem grossen Teil Musikern ausserhalb des Eidgenössischen Jodlerverbandes zu verdanken (Alois Bucher, Hans Kennel, Balthasar Streiff).

Mit seiner geschwungenen Form gleicht der Büchel der Barocktrompete und der Feld-Trompete / Fanfare. Der englische Bugle hat ausserdem fast denselben Namen. Bugle soll aus dem französischen cor buglèr und bugelet abstammen und damit eine Herkunft vom Tierhorn verraten. Über die sprachliche Verbindung zum Wort Büchel können wir nur spekulieren.

Im Vergleich zum Alphorn ist der Büchel deutlich schwieriger zu spielen. Die enge Mensur (Innenform) und die Windungen verlangen eine sehr guten Ansatz und viel Kraft. Sein Klang ist zentriert, etwas rauh und grell. Die traditionellen Muotathaler Büchelgsätzli sind kurz und enthalten viele Tonsprünge und rhythmische Brüche. Sie klingen erst einmal ziemlich schräg – keine Musik, die man zuhaus genussvoll auf dem Sofa reinzieht. In jüngerer Zeit wurden viele Büchelstücke geschrieben, welche dem Alphorn-Mainstream nacheifern. Seinen eigentümlichen Charme entwickelt der Büchel jedoch nur in den Bergen, wenn sich seine scharfen Töne – wie der Pfiff eines Murmeltiers – mit dem Echo von den steilen Felswänden zu einer Klanglandschaft vereinen.

Auf dem Alphorn und dem Büchel kann man nur bestimmte Töne spielen: die Naturtonleiter. Diese Töne stehen in einem bestimmten Frequenzverhältnis zum Grundton des Instruments. In der tiefsten Oktave gibt es nur einen Naturton, in der zweiten Oktave zwei, in der dritten Oktave vier, dann acht. In der Notation beschränkt sich das Klangmaterial des Büchel auf:

Die meisten Büchel-Spieler werden nur die Noten im weiss schattierten Bereichen verwenden. Die Notation verbirgt auch die Tatsache, dass die meisten Noten anders intonieren als bei den heute gebräuchlichen Instrumenten. Für das ungewohnte Ohr klingen sie irgendwie seltsam. Aber das ist eine Frage der Perspektive: Die Naturtonleiter folgt alten Gesetzen der Harmonie, deren (vergessene) universelle Gültigkeit uns eine Gänsehaut bescheren kann.